Sonntag, 1. November 2009

Helfer stellen Suche nach Überlebenden ein


Es gibt keine Hoffnung mehr: Nach dem verheerenden Erdbeben auf Sumatra haben die Rettungskräfte die Suche nach Überlebende aufgegeben. Die Hilfe konzentriert sich jetzt auf die Versorgung der Bevölkerung. Tausende brauchen dringend Lebensmittel und Notunterkünfte.
Langsam kehrt der Alltag zurück nach Padang. Die ersten Geschäfte und Ämter öffnen, Restaurants versorgen die Heerscharen internationaler Helfer mit Nasi Goreng. In einigen Stadtvierteln, die tagelang von der Stromversorgung abgeschnitten waren, brennt wieder Licht, und es lärmen Ghettoblaster.

Doch auch von ersten Plünderungen wird berichtet, und man streitet darüber, wer den größten Teil der Wiederaufbauhilfe erhalten soll. Insbesondere die Chinesen, deren Viertel zu den am stärksten betroffenen Gebieten der Stadt gehörte, befürchten, von den Indonesiern benachteiligt zu werden.

Fünf Tage nach dem verheerenden Erdbeben auf der indonesischen Insel Sumatra haben die Helfer die Suche nach Überlebenden eingestellt. Der Schwerpunkt solle nun auf dem Wiederaufbau und der Versorgung der Betroffenen in der Stadt Padang und den angrenzenden Gebieten liegen, sagte der Chef der Uno-Hilfsmission in Indonesien, Ignacio Leon. Die Erfahrung zeige, dass es nach so einer langen Zeit kaum noch möglich sei, Überlebende zu bergen.

Verzweifelte Bemühungen

Sämtliche verzweifelten Bemühungen, noch Eingeschlossene etwa aus den Trümmern des eingestürzten 140-Zimmer-Ambacang-Hotels im Zentrum Padangs zu retten, sind bislang gescheitert. Als das Gebäude in sich zusammenstürzte, sollen sich darin bis zu 125 Menschen aufgehalten haben, wie der Manager Sarana Aji schätzt.

Dabei war zwischenzeitlich Hoffnung aufgekeimt. Am Samstag hatte die Polizei eine SMS von offenbar Verschütteten erhalten, die mitteilten, noch mindestens acht Überlebende befänden sich unter den Trümmern. Doch jetzt noch jemanden lebend zu bergen, käme wohl einem Wunder gleich. "Wir haben alles mit Detektoren abgesucht, die Herzschläge erfassen können", sagt der Sprecher der indonesischen Katastrophenhilfe, Gagah Prakoso. Ohne Erfolg.

Noch hoffnungsloser ist die Lage nahe der Stadt Pariaman, wo die Orte Kapalo Koto, Cumanak und Lubuk Laweh mit 300 bis 400 Menschen komplett verschüttet wurden. "Die verlorenen Dörfer werden zu Massengräbern", titelt die "Jakarta Post". Offenbar haben die Katastrophenhelfer die Ortschaften aufgegeben. Ihre Anstrengungen konzentrieren sie jetzt auf die Gegenden, in denen noch eine geringe Aussicht besteht, Überlebende zu finden.

"Sie haben alles verloren"

Dafür rücken jetzt erste Hilfsteams an, die die Erdbebenopfer im Umland versorgen. "Die Menschen brauchen zunächst vor allem Unterkünfte, Decken, Lebensmittel", sagt Fabian Tritschle, 28, von der deutschen Caritas, "sie haben alles verloren, was sie hatten, viele stehen jetzt vor dem Nichts."

Immer wieder werden die Obdachlosen von Regengüssen durchnässt. Und viele wollen aus Angst vor Plünderern die Ruinen, die einmal ihre Häuser waren, nicht verlassen. Die Caritas kauft für sie erst einmal Nahrungsmittel ein, vorwiegend Reis und Dosenfisch - nur nicht die in der Region sonst so beliebten Instant-Nudeln, "denn die sind ungesund und wenig nahrhaft", wie Tritschle weiß.

Der Schwarzwälder war als einer der Ersten vor Ort. Seit Anfang Februar lebt er in der Stadt Yogjakarta auf der Nachbarinsel Java. 2006 hatte dort ein Erdbeben gewütet, seitdem leistet das katholische Hilfswerk in Java Unterstützung beim Aufbau und der Versorgung der Bevölkerung, hat in Yogjakarta sieben internationale Fachkräfte stationiert. Auch aus Aceh, am Westzipfel Sumatras, das am stärksten vom Horror-Tsunami 2004 betroffen war, hat die Caritas nun Mitarbeiter nach Padang und Pariaman abgezogen.

"Einigen das Leben gerettet"

"Die Menschen in Indonesien sind sensibilisiert für solche Naturkatastrophen. Tsunamis, Erdbeben, Vulkanausbrüche gehören zum Alltag", hat Tritschle beobachtet. "Viele stürzten deshalb sofort, als das Beben begann, nach draußen, das hat wahrscheinlich einigen das Leben gerettet." Dennoch hat Tritschle insbesondere in den Dörfern außerhalb der Großstadt eine Spur der Verwüstung gesehen.

Die 60 Kilometer lange Straße von Padang nach Pariaman wird gesäumt von bettelnden Kindern. Überall irren Menschen durch Schutthaufen, stets auf der Suche nach Angehörigen oder schlicht den Überresten ihres Hab und Guts. Und noch immer gibt es in den Bergen Gegenden, die weitgehend abgeschnitten von Hilfe sind - weil die Straßen kaum passierbar sind und kein Mobilfunknetz funktioniert.

Tritschles Truppe hat eine kleine Schule am Rand der Berge belegt, die Versorgung mit Strom und Internet aufgebaut. Mitarbeiter aus der Schweiz, Australien, den Vereinigten Staaten, Frankreich, Irland, Italien, Holland und Deutschland werden dort untergebracht.

Die meisten waren vorher schon in der Region stationiert und sind mit der schweren Arbeit in Erdbebengebieten vertraut. Es sei ein Vorteil, dass die Caritas normalerweise mit lokalen Organisationen zusammenarbeite, sagt Tritschle, zudem verfüge sie über ein weltumspannendes Netzwerk.

Chaotische Hilfe

Ansonsten sei die Hilfe im Erdbebengebiet von Sumatra teils chaotisch verlaufen - was besonders bitter war, als noch jede Sekunde zählte. Immer mehr Rettungstrupps aus aller Welt seien angerückt, nachdem die indonesische Regierung einen Mangel an Ausrüstung beklagt und Hilfe angefordert habe. Doch dann sei Chaos ausgebrochen.

Tritschle: "Die Behörden schienen logistisch überfordert, Landegenehmigungen mussten erteilt werden, Genehmigungen für die Einfuhr von Suchhunden. Teils war die Stadt wie paralysiert. Jeder wollte was tun, aber es gab kaum zuverlässige Informationen."

Mittlerweile scheint die Arbeit aber koordinierter abzulaufen. Große Cargo-Flugzeuge aus den USA, Australien und Russland haben Bergungsgerät und Hilfsgüter eingeflogen. 400 Millionen US-Dollar wurden von der indonesischen Regierung für Hilfsmaßnahmen zugesagt. Mehr als ein Dutzend weitere Länder schießen zusätzliche Millionen zu. Unklar bleibt noch die Zahl der Opfer. Die höchsten Schätzungen gehen derzeit von bis zu 3000 Toten aus.
Quelle:SpiegelONLINE

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